Mittwoch, 13. März 2013

Digitale Identität

 Digitale Idenität

Alle haben wir Furcht davor "gläserner Mensch" zu sein. Ich schließe mich da nicht aus. Aber woher kommt diese Furcht und was haben wir zu verbergen?

Als Psychologin kenne ich die Furcht der anderen vorm Psychologen als quasi psychologischen Scanner. Es ist die Furcht, durchschaubar zu sein, auch in seinen Abgründen.

Vielleicht geht es also mehr um unsere Abgründe und unsere eigene Furcht uns dieser gewahr zu werden? Vielleicht hätten wir weniger Furcht vor diesem "dunklen" i.d.R. Unausgesprochenen und oft noch nicht mal Angeschauten, wenn wir wüssten, dass es zum "normalen menschlichen Inventar" gehören und auch oder v.a. in diesen Tiefen ungeahnte Qualitäten lautern, die geborgen und gelebt werden wollen. Wir könnten viel entspannter und bei und mit uns sein, wenn wir über derlei Dinge offen, in dem Sinne auch öffentlich kommunizieren könnten und somit nicht mehr die Notwendigkeit bestände, Bilder zu entwerfen, die i.d.R. weder uns noch überhaupt einem realen Menschen entsprechen (können, i.G. auch nicht sollten). Apropos Kompetenzprofile, Onlineprofile. Wieviel allgemein Menschliches finden wir in solchen Profilen? Doch im Wesentlichen v.a. den Druck sich darzustellen - möglichst besser als man ist. Und wissen wir nicht alle -wie auch bei Bewerbungsschreiben und - gesprächen und Datingportalen und, und, und ... das all das wenig mit der Realität zu tun hat? Wir entwerfen und werden entworfen ... (Brecht hat das ganz gut auf den Punkt gebracht in der kurzen Geschichte von Herrn K. über Menschen und Bilder).

Was hat es noch mit den digitalen Medien auf sich, die unsere Identität beeinflussen?
Wir möchten nicht immer erreichbar sein. Gut, dann sind wir es eben nicht. Rechner, Mobilphone, was auch immer einfach nicht einschalten, nicht rangehen, wenn es nicht passt. Wo liegt hier das Problem? Weil mit der Möglichkeit die Erwartungen steigen? Muss das so sein? Kann man nicht auch hier ein richtiges Maß finden?

Wir möchten auch nicht überall zu orten sein; auch das funktioniert meines Wissens nur, wenn wir die Geräte anschalten, oder gibt es schon Geräte, die immer auf "standby" sind, die man nicht mehr ausschalten kann?

Wir möchten nicht, dass jeder alles von uns weiss. Gut, liegt es nicht an uns, zu überlegen, was wir überhaupt, wem, wie, wo, wieviel, wann etc. mitteilen wollen und was nicht? Kommt es hier nicht einfach darauf an, zwischen "sicheren" und "unsicheren" Kanälen zu unterscheiden? Auch im realen Leben kann man nicht sicher sein, dass Notizen, Briefe nicht auch von anderen gelesen, Gespräche mitgehört, Informationen weitergetragen und bewusst oder unabsichtlich verzerrt werden. Das ist nicht neu, ich muss mir im Grunde schon immer, immer und überall überlegen, zu was ich im Allgemeinen und Speziellen stehen kann. Und ob ich auch noch dazu stehen kann, wenn ich vielleicht morgen anders darüber denken und es u.U. jemand hören könnte, der es ursprünglich nicht hören sollte.

Als Mensch sind wir doch immer schon im öffentlichen Raum.
Was sich vielleicht geändert hat, ist, dass sich der Raum, den man in Sekundenschnelle füllen kann, erweitert hat und dass die Spur, die wir hier mehr oder weniger bewusst legen, bleibt.
Ist das tatsächlich so gefährlich?
Ist es nicht so, dass wir immer und überall schon, wo wir uns bewegen und leben, Spuren hinterlassen, die von anderen auch wahrgenommen gedeutet und damit auch verändert werden können und immer schon damit leben müssen, was wir hiermit in die Welt gesetzt haben?

Was macht das Netz anders?
Ist es die Anonymität, dass ich scheinbar noch weniger weiss, wer auf meine Lebensspuren zurückgreift?
Ist es, weil Daten scheinbar leichter zugänglich, abruf- und manipulierbar sind?
Aber ist auch das nicht immer schon möglich? Wer sagt mir und anderen denn, dass das, was auch im "non-digital life" über mich, wo auch immer kursiert, von mir oder von jemand anderen ist?
Und wie kann ich das überhaupt kontrollieren?
Und warum sollte ich überhaupt, wenn ich weiss, dass ich das eh nicht vollständig beeinflussen kann?
Wozu der Stress?
Geht es da nicht eher um Rückbesinnung auf das, was ich real will und praktiziere und den Rest loszulassen? Wir wissen doch nie wirklich, wie das, was wir in die Welt senden, bei anderen ankommt. Und dazu zur Rede gestellt, können wir uns doch immer noch positionieren. Oder?

Könnte nicht jeder unter meinem Namen im Netz "üble" Nachrichten verschicken, sich "schlecht" benehmen oder sich "unmöglich" in Blogs oder sozialen Netzwerken tummeln? Wer sagt denn, dass ich das war?
Kann nicht jeder jetzt schon Fotos von mir machen, diese ins Netz stellen und dazu Geschichten spinnen? Also genauso wie in der "normale" Gerüchteküche? -  bis auf die Breitenwirkung vielleicht und das noch mangelnde Bewusstsein der User darüber, dass Schriftliches geduldig und alle Medien manipulierbar sind.

Vor Gericht gilt das Prinzip der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit. Dort weiss man schon lange, dass man aufgrund einer Aktenlage oder auf Basis digitaler Mittel nicht urteilen darf, eben weil (!) dies keine zuverlässigen Quellen sind.

Wenn ich weiss, wer ich bin und was ich nach außen vertreten kann und will (und das auch so tue), was schert es mich dann, was die anderen von mir denken (u.U. auch auf Basis falscher Informationen)? Wer mehr von mir erfahren will, soll mich doch ansprechen, Daten prüfen und auf Forschungsreise gehen. Punkt.

Tut nicht viel mehr Aufklärung Not? Wie ernst digitale Medien zu nehmen sind? Was die Gefahren, aber was auch die Chancen sind?

Im Grunde teile ich die Haltung, dass man sich Wissen aneignen und dann einen emanzipierten, selbstbewussten Umgang mit den neuen Medien pflegen sollte.

Es ist nur ein weiterer Weg - u.U. schneller und breiter - in Kontakt zu treten, sich zu vernetzen.
Alles steht und fällt mit den Menschen, die diese Wege nutzen und mit dem Umgang, den sie dazu vereinbaren.

1 Kommentar:

  1. Böse Nachrede oder Stalking gab es schon immer, das Internet hat jedoch Schlagkraft und Reichweite deutlich erhöht.

    Ich sehe aber auch sehr deutlich die Möglichkeiten von Online-Tools und -Netzwerken in Zeiten, in denen das arbeitende Individuum nicht mehr bis zur Rente in einem Unternehmen tätig ist und mit einer goldenen Uhr zufrieden in die Rente entlassen wird. Strategisch ausgerichtete Aktivitäten im Netz können relativ einfach dazu genutzt werden, den nächsten Baustein der Erwerbsbiografie aktiv zu gestalten, und das gilt nicht nur für netz-affine Berufe. Mehr dazu vielleicht am Freitag.

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